SUPERKALIFRAGILISTIGEXPIALIGETISCH

Das Kunstwerk wird in einer verantwortungsvollen Funktion getragen. Ich werde die Models beim Diversityball vor der Modenschau beaufsichtigen, für eine befreundete Designerin.

Verantwortung – Arbeit – also Jeans.

 

Jeans sammeln sich in meinem Kleiderlager, Ausgangsmaterialien für neue Collagen. Jeans werden heute öfter aus modischen Gründen als aus dem Grund des Schutzes für die Belastungen in gefährlichen Arbeitssituationen getragen. Aber besonders dieses Material hält zu lange, als dass sie jemand „austragen“ würde. Sie sind zur Makulatur verkommen. Feuer- und reißfest, für die, die zupacken können und müssen, persiflieren sie heute die Arbeitsmoral der BewohnerInnen der „Ersten Welt“, die, ein Blatt hebend oder im gepolsterten Auto sitzend, einen Bandscheibenvorfall von ihrer harten Arbeit davontragen.

 

Ich habe zu arbeiten, im Hintergrund dafür zu sorgen, dass alles läuft, beim Diversity Ball. Also Jeans.

Ich zertrenne 20 davon. Meine Schneiderpuppe fällt. Sie trägt das Gewicht der schweren Stoffe kaum. Die Maschine soll bis zu sechs bockige Lagen übereinander verarbeiten. Ich zwänge, dränge, schiebe. Nadelteile spritzen quer durch das Zimmer. Schutzbrille. Schweiß tropft unter Prusten und Stöhnen. Die zarte Form der Taille soll betont werden. Die ausgestellte Rokokoform des Rockteiles bedarf eines Ausfluges in den Baumarkt. Tanzen sollte man auch können, ist ja trotz der Arbeitssituation ein Ball. Die Bewegungsfreiheit der Beine muss bedacht werden. Neben dem Tagesgeschäft 80 Stunden in einer Woche für die Kunst zu investieren, bedeutet Schlafentzug. Im Prozess tauchen all die Situationen meines Lebens auf, in denen ich unter Druck Ergebnisse liefern musste, aus Nichts etwas Besonderes zu kreieren hatte, mich neu entwerfen musste, die herzgesteuerte Strenge der Mary Poppins auf mich selbst anwenden musste. Arbeitstrance, Workflow. Eine Jacke aus schwarzen Jeans soll erlauben, vor dem Palais in der Kühle der Nacht die Models zu sortieren, ohne zu zittern. Geschafft. Ich bin stolz. Der Abend kann beginnen.

 

Die Mädels machen einen tollen Job. Für ein Mädel bedurfte es gehöriger Überredungskunst, weil sie nicht, wie geplant, im Outfit der Designerin, sondern im Jeanskleid auf die Bühne wollte. Gegen Mitternacht mische ich mich unter die BesucherInnen. FotografInnen bitten mich zum Shooting, Frauen wie Männer sprechen mich an und erkundigen sich nach der Designerin. La Honc kommt auf mich zu. Er kritisiert die Sicherheitsnadeln und – er findet das Kleid großartig, ermutigt mich, weiter zu arbeiten.

 

Der Gott der Haute Couture hat zu mir gesprochen. Ich bin ein gasgefüllter Ballon, unerwartete Reaktion auf unerwartetes Feedback. Wäre das Kleid an sich nicht so schwer, ich würde in den schwarzen Himmel aufsteigen.

Nicht nur einmal hat dieses Kunstwerk Fotografen und Filmemacher inspiriert.

Dort, wo Du damit stehst, ist der Mittelpunkt!

Mein Lieblingsmodel darf ich in dieser Robe fotografieren. Ihr Körper zeigt eine Narbe- vom Brustkorb bis zur Scham – nicht verdeckt – im Gegenteil – die dünnen schwarzen Striche der Sicherheitsnadeln wirken wie die Klammern, von welchen die Wunde zusammengehalten wird. Sie ist die Richtige, dieses Kunstwerk zu tragen. Sie ist die Heldin, Sie ist die Eine von uns Vielen… Sie ist Pina.

 

Richtwert Größe 38

 

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